Eigentlich war es geplant, in Holtenau statt einer Brücke nur
eine Fähre über den Kaiser-Wilhelm-Kanal einzurichten, aber
Verkehrszählungen zeigten bald, daß für die Bewältigung des Verkehrs zwischen Kiel und
Friedrichsort mindestens drei Fähren hätten eingesetzt werden müssen. Aus diesem Grund wurde eine
so genannte Prahmdrehbrücke
installiert, unter der die
Schiffe nicht hindurch fuhren, sondern die — auf dem Wasser schwimmend — bei Schiffsverkehr einfach
zu den Seiten weg gedreht werden konnte.
Abb.: Die Kanalfähre am Wiker Ufer im Winter 1929. Im Hintergrund
die Prinz-Heinrich-Brücke. Der Hochbrückendamm ist
noch mit Bäumen (Ulmen?) bewachsen.
Nachdem die ehemalige Prahmdrehbrücke auf Höhe der heutigen Gravensteiner Straße durch die einige hundert Meter weiter westlich gelegene Prinz-Heinrich-Brücke ersetzt worden war, mußte sich die Kaiserliche Kanalverwaltung verpflichten, eine Fährlinie zwischen Holtenau und der Wik einzurichten. Wurden in den Anfangsjahren zur Überquerung des Holtenauer Binnenhafens verschiedene kleine Motorboote eingesetzt, so machten zunehmende Passagierzahlen bald den Einsatz größerer Schiffe notwendig.
Abb.: Die Kanalfähre am Holtenauer Anleger.
Schon nach wenigen Jahren kam es in Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel zum Einsatz eines Schiffes
der Hafenrundfahrt AG
und so wurde ab 1925 unter anderen der 1906 gebaute Dampfer
Dietrichsdorf
eingesetzt. Von 1931 bis 1955 kam die im Krieg umgebaute Dampffähre
Holtenau
, die noch kohlenbetrieben und neben dem Kapitän auch mit einem Heizer und
einem Kassierer (!) besetzt gewesen war, zum Einsatz — letzterer der Beweis, daß die Ansicht vieler
Holtenauer, die Kanalüberquerung per Fähre sei — da der Kanal die natürlichen Straßenverbindungen
in den Norden unterbrochen habe — immer kostenlos gewesen, so nicht stimmt (siehe unten!). Nachdem
die Holtenau
außer Dienst gestellt worden war, trat die Wik
an ihre
Stelle, deren Einsatz kurz durch die Barkasse Hubert
unterbrochen wurde.
Abb.: Blick nach Holtenau: Die Fähre Wik
und das "Fährstübchen" im
Hintergrund.
Abb.: Die Kanalfähre Hubert nach der Bergung. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Am 28. Januar 1977 kam es mit dieser ehemaligen Hamburger Hafenbarkasse zu einem Unglück, da sie
auf ihrer Fahrt von der Wik nach Holtenau vor den Steven des Sowjetfrachters Baltiyskiy
37
lief und sank. Bei dieser Havarie wurde ein Passagier getötet, zwei weitere Menschen
konnten gerettet werden. Es wurde dann wieder die Wik
eingesetzt, bis diese im
April 1983 ausgemustert wurde.
Seit Mai 1984 ist die anfangs von den Holtenauern mit viel Skepsis betrachtete Adler I
der Nordstrander Reederei Kurt Paulsen als Kanalfähre zwischen
Holtenau und der Wik im Einsatz, nachdem die um ein mehrfaches größere Adler III
anderweitig eingesetzt wurde. Aufgrund ihrer Bauform erhielt die 13,5 m lange und 4,6 m breite
Adler I
schnell ihren Spitznamen Schuhkarton
, doch zeigte es sich
schnell, daß das kleinere Fahrzeug durchaus seine Vorteile hatte, war es doch weitaus
manövrierfähiger und konnte so in rasanter Fahrt nahezu auf Armeslänge zwischen den großen
Frachtschiffen den Kanal kreuzen, was insbesondere bei jenen Passagieren gut ankam, die ansonsten
eher selten großen Seeschiffen so nahe kamen. Inzwischen ist die “Adler I
seit über
zwanzig Jahren im Dienst und hat dabei eine Strecke zurück-gelegt, die mehreren Weltumrundungen
entspricht.
Die auch unter einigen alteingesessenen Holtenauern vertretene Ansicht, die Fahrt mit der Kanalfähre sei immer kostenlos gewesen, da die natürlichen Wegeverbindungen nach Holtenau durch den Kanalbau unterbrochen worden seien, stimmt so nicht:
Aufgrund des Planfeststellungsverfahrens von 1909 über die Errichtung einer Kanalfähre zwischen der Wik und der Gemeinde Holtenau, das eine entsprechende Verordnung enthielt, waren die Fahrten tatsächlich bis 1925 kostenlos. Danach kostete die einfach Fahrt 1,5 Pfennige und 1926 wurde der Preis schon auf 2,5 Pfennige erhöht. Dieser Preis überstand die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die ersten Jahre der jungen Bundesrepublik.
Erst im Mai 1955 wurde der Fahrpreis aufgrund einer Ermächtigung des Bundesverkehrsministers auf 5 Pfennige für Erwachsene, Fahrräder, Kinderwagen etc. und 2,5 Pfennige für Kinder von 4. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr angehoben. Diese Preiserhöhung mußte aber aufgrund von Protesten der Kanalanrainer nach drei Monaten wieder zurückgenommen werden.
Erst im Jahr 1967 wurde der Fahrpreis für Erwachsene wieder auf einen Groschen (= 10 Pfennige) angehoben. Im Jahr 1970 wurde die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches erfolglos auf die Einhaltung der oben genannten Verordnung verklagt, die eine kostenlose Fahrt garantierte. Das Gericht argumentierte in seiner Entscheidung, daß die inzwischen eingesetzten komfortablen Fähren weitaus kostenintensiver seien als die in den ersten Jahren eingesetzten Holzboote.
Diese Argumentation des Gerichtes spielte für den weiteren Verlauf der Geschichte eine nicht
unbedeutende Rolle, denn zwar wurden die Fahrten 6 Jahre nach diesem Urteil wieder kostenlos,
nachdem der Bund versucht hatte, sich gegen Zahlung von 3 Millionen DM aus der Verpflichtung, eine
Fähre bereitzustellen, frei zu kaufen, was die Holtenauer natürlich empört ablehnten. Schließlich
übernahm die Kieler Verkehrs AG die damals benutze Wik
und setzte den Fährbetrieb
gegen Ausgleichszahlungen durch den Bund fort.
Abb.: Die Kanalfähre Wik am Wiker Anleger. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Abb.: Die Kanalfähre Wik am Wiker Anleger 1964. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Doch lag es nun aber seitens des neuen Betreibers nahe, entsprechend den Anforderungen aus der
Verordnung von 1909 nach einer kleineren Lösung zu suchen und so kam ab dem 1. Januar 1977 die oben
erwähnte Unglücksbarkasse Hubert
zum Einsatz und man kann sich die Frage stellen,
ob es einen knappen Monat später zu dem Unglück gekommen wäre, hätte man damals ein größeres
Fährschiff eingesetzt oder die alte Wik
weiter betrieben.
Abb.: Die
Kanalfähre Adler I
vor dem Wiker Ufer. Dort in Rot der neue Anleger und rechts daneben ein
Tor zum Verschließen der Alten Schleusen.
Neben der reinen Personenfähre in Holtenau gibt es noch mehrere Autofähren über den Nord-Ostsee-Kanal, die bis zu acht PKW befördern können:
Abb.: Die Adler I am Fähranleger Holtenau.
© Bert Morio 2019 — Zuletzt geändert: 13-04-2021