Holtenauer Geschichte

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Artikel zur Eingemeindung

Der Folgende Artikel über die Eingemeindung nach Kiel im Jahr 1922 stammt vom ehemaligen Arbeitskreis ProHoltenau. Ich habe ihn für diese Website um die entsprechenden Links auf diese Seiten ergänzt:


1922 wurde Holtenau eingemeindetVerraten und verkauft?

Das Wilhelminische Kaiserreich mit all seiner Prachtentfaltung, von der auch unser Stadtteil reichlich profitiert hat, war drei Jahre zuvor sang- und klanglos untergegangen und die Siegermächte legten dem besiegten Deutschland harte Bedingungen auf. Der Reichsmarinestadt Kiel, die ihren beispiellosen Boom vor allem der übersteigerten Marinerüstung zu verdanken hatte, brachen über Nacht zehntausende Arbeitsplätze weg. Alleine die Friedrichsorter Torpedowerkstätten setzten tausende Menschen frei, darunter nicht wenige Holtenauer.

Seitdem die Stadt Kiel zum wichtigsten Kriegshafen des Kaiserreichs aufgestiegen war, gab es einen ständigen Kampf zwischen der vorherrschenden Marine, die sich die wichtigsten Grundstücke an der Kieler Förde angeeignet hatte, und der Stadt Kiel, die dringend nach Hafenflächen suchte. Dieser Streit endete schließlich im so genannten Wiker Hafenprozeß, durch den die Stadt versuchte, sich aus der Umklammerung der Marine zu befreien.

Das Kriegsende des Ersten Weltkriegs zwang die Stadt Kiel nun dazu, eine zivile Wirtschaft aufzubauen, wozu natürlich in erster Linie Hafen- und günstig gelegene Gewerbeflächen von Nöten waren. Schließlich wollte man von dem den Kanal passierenden Warenstrom profitieren. Solche freien Flächen fanden sich in den Gemeinden nördlich des damaligen Stadtgebietes, namentlich in Holtenau und Friedrichsort. Insbesondere für das Gebiet des Voßbrooks zwischen Holtenau und Friedrichsort, das bereits während des Ersten Weltkrieges von der Kaiserlichen Marine erschlossen worden war, gab es weitreichende Pläne. Aber auch die Holtenauer Gemeindevertreter glaubten, durch eine Verbindung mit der Stadt Kiel, die Infrastrukturprobleme der Landgemeinde Holtenau lösen zu können. Viele Holtenauer fühlten sich damals jedoch durch den letzten Holtenauer Gemeindevorsteher Ewald Wendenburg an die Stadt Kiel verkauft.

Über viele Passagen des Eingemeindungsvertrages samt Nebenvertrag mag man heute schmunzeln, doch ab und zu mag man sich als Leser fragen, ob hier die Stadt wirklich ihren Verpflichtungen nachgekommen ist bzw. ihnen noch nachkommt ...

Es folgen einige Auszüge:

(§4) Mit dem Tage der Vereinigung übernimmt die Gemeindebehörde der Stadt Kiel die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten der bisherigen Landgemeinde Holtenau. Für den neuen Stadtteil ist ein [Standesamt](standesamt.htm) einzurichten, auch ist Sorge zu tragen, daß ein Beamter zur Empfangnahme von Steuern, zur Beglaubigung von Unterschriften und zur Ausgabe von Lebensmittelkarten, solange die Lebensmittelbewirtschaftung bestehen bleibt, in Holtenau anwesend ist.[...] Die Spar-&Leihkasse der Gemeinde Holtenau wird mit der Kieler Spar-&Leihkasse vereinigt. Eine Nebenstelle der letzteren muß im Gebiete der Gemeinde Holtenau liegen.

(§5) Soweit nicht in diesem Vertrag abweichendes bestimmt wird, treten mit dem Tage der Vereinigung die für Kiel geltenden, in ihrer Gültigkeit nicht örtlichen beschränkten Ortsstatute, Regulative, Polizeiverordnungen und Gemeindebeschlüsse auch in der bisherigen Landgemeinde in Kraft. Der Schlachthauszwang soll innerhalb der ersten 15 Jahre nach der Vereinigung auf Holtenau nur insoweit angewendet werden, als es um das gewerbsmäßige handelt. Für die gleiche Zeit bleiben die in Holtenau geltenden Bestimmungen in Kraft, daß die Straßenreinigung durch die Gemeindeangehörigen ausgeführt wird. Auch besteht für die Dauer von 15 Jahren die zur Zeit der Eingemeindung in Holtenau bestehende Art der Müll-& Fäkalabfuhr fort.

In einem Nebenvertrag werden weitere Details festgelegt:

(§1) Die Stadt Kiel verpflichtet sich mit allen ihr zu Gebote stehenden Rechtsmitteln bei der allgemeinen Lokal- und Straßenbahngesellschaft den von dieser vertraglich übernommenen Ausbau der Straßenbahnlinie 1 bis zum Kanal durchzusetzen zu versuchen.

Ferner verpflichtet sich die Stadt Kiel, umgehend beim Reichskanalamt und bei dem Bezirksausschuß eine Verbesserung der Fährverhältnisse zu erwirken. Die Gemeinde Holtenau ist damit einverstanden, daß bei Verbesserung der [Fährverhältnisse](faehre.htm) die durch Verbesserung entstehenden Mehrkosten durch Erhebung von Fährgeld aufgebracht wird. Das Fährgeld darf jedoch auf die Dauer von 10 Jahren nach der Eingemeindung 50 % der Gaardener Fährgeldsätze nicht übersteigen.

(§3) Die Stadt Kiel verpflichtet sich, den von der Gemeinde Holtenau angelegten Sportplatz spielfähig zu erhalten und die von der Gemeinde Holtenau vom Reichsfiskus gepachteten Ländereien auch fernerhin für [Kleingärten}(kleingaertner.htm) zu erhalten, sofern nicht das Land für Industriezwecke benötigt oder vom Fiskus zurückgefordert wird.

(§ 6) Die den Arbeitsnachweis der Stadt Kiel in Anspruch nehmenden Holtenauer Erwerbslosen erhalten im Falle der Gewährung von Erwerbslosen-Unterstützung das Fahrgeld nach Kiel ersetzt, sofern die Verwaltung ihr Erscheinen in Kiel fordert.

Autor: Bert Morio

© Arbeitskreis PRO HOLTENAU 2007


Siehe auch:

© Bert Morio 2017 — Zuletzt geändert: 03-10-2017 15:05

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