Am früheren Ostende des Eiderkanals befindet sich ein zwischen
1774 und 1784 errichtetes Ensemble historischer Gebäude, die ursprünglich der
Eiderkanalverwaltung dienten und unter anderem u. a. den Kanalmeister des Eiderkanals und den
Zollverwalter beherbergten. Sie werden überragt durch das eigentliche Packhaus, das aus der Zeit
um 1783/84 stammt und als Zwischenlager für die von den Schiffen angelieferten Waren diente. Das
Kanalpackhaus
gilt als eines der Wahrzeichen Holtenaus. Es wurde zusammen mit dem
Packhaus in Tönning und dem etwas kleineren Packhaus in Rendsburg im Auftrag der Dänischen Krone
als Lagerhaus für die auf dem Eiderkanal transportierten Waren
erbaut.
Abb.: Das Packhausensemble mit dem im Vordergrund im Wasser stehenden Obelisken, der auf diesem Stich allerdings wenig Ähnlichkeit mit dem Original hat. Gut zu erkennen ist hier jedoch, daß es außer den Gebäuden am Packhaus selbst keine andere Bebauung in der Nähe gibt.
Das Packhaus war Teil des königlichen Kanaldistriktes, einer eigenen Verwaltungseinheit, die im 18. Jahrhundert noch ca. einen Kilometer vom Kern des Holtenauer Bauerndorfes entfernt lag. Während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung diente das Gebäude auch als Munitionsdepot, Lazarett und Kaserne. Später wurde das Packhaus von der Firma Grimm als Holzlager benutzt, wobei es nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend verfiel, so daß seitens der Besitzer sogar über einen Abriß nachgedacht wurde. Erst der Denkmalschutz machte eine Erhaltung und Restaurierung des Gebäudes möglich.
Abb.: Blick vom
Südufer des Eiderkanals. Gut zu erkennen auch die beiden Obelisken. Sehr gut zu erkennen ist auf
diesem Bild auch die Scharkante
zum höher gelegenen Holtenauer Plateau. Der hier
abgebildete Obelisk entspricht dem Original.
Vergleichbare Gebäude gab es zum Zeitpunkt ihrer Erbauung nur in großen Handelsstädten und so kommt Beusen zu dem Schluß, daß die gewaltigen Dimensionen der Gebäude auch dem Zweck dienten, die Bedeutung des Eiderkanals als gesamtstaatliches Projekt des dänischen Königreiches zur Schau zu stellen.
Zur Zeit seiner Erbauung war das Kanalpackhaus mit seinen Nebengebäuden auch die einzige
Bebauung direkt am Holtenauer Nordufer des Eiderkanals, an dem damals der völlig unbedeutende
"Uferweg" entlang bis zur Schleuse Holtenau führte, aus dem sich in späterer Zeit einmal die
Kanalstraße entwickeln sollte. Dieser Uferweg wurde erst ein
Jahrhundert später in den Jahren 1887-95 ausgebaut und erst im Jahre 1919 offiziell in
Kanalstraße
umbenannt. Vorher behalf man sich mit Bezeichnungen wie
nördliche Hafenstraße
oder Chaussee nach der Kanalmündung
.
Abb.: Links hinter Bäumen das Packhaus. Vorne sieht man einen jener Schlepper, die in den letzten Jahrzehnten des Eiderkanals zunehmend zum Schleppen der nicht motorisierten Schiffe durch den Kanal bereit gestellt wurden. Am Ufer sieht man große Lagerflächen mit Holz.
Durch die drei Packhäuser in Holtenau, Rendsburg und Tönning wurde der Warenhandel am Eiderkanal sehr erleichtert, da in ihnen die Waren aus dem Hinterland so lange zwischengelagert werden konnten, bis Schiffe für ihren Weitertransport sorgen konnten.
Abb.:
Holtenau und der Eiderkanal 1881. Nur 6 Jahre vor der Grundsteinlegung für den Kaiser-Wilhelm-Kanal waren das Holtenauer
Bauerndorf und das Gebiet des Packhauses (der Kanaldistrikt
) weit voneinander getrennt. Die Kastanienallee ist
bereits angelegt und auch ein Teil der Königstraße, die früher zum Holtenauer Meierhof führte.
Auch zu Zeiten des Eiderkanals war der Warenhandel annähernd so international wie heute: Während aus dem unmittelbaren Einzugsbereich der Packhäuser Güter wie Getreide, Talg, Sohlenleder, Klinker, Zement, Tran, Teer, Töpfergut, Zucker und Salz durch die Packhäuser strömten, kamen Flachs, Leinen und Pech aus Rußland, aus Schweden Stahl und Eisen und aus Island der Salzfisch.
Abb.: In den 1950er Jahren. Das Packhaus wird von der Firma Grimm als Lagerhaus genutzt.
Die Errichtung des Kanalpackhauses geht auf die Kopenhagener Kanalkommission
zurück, auf deren Initiative die drei Packhäuser gebaut wurden. Alle drei Gebäude hatten dasselbe
Aussehen, doch waren die beiden Packhäuser an den Enden des Kanals etwa doppelt so groß wie das
Packhaus in Rendsburg, da man an diesen beiden Plätzen einen größeren Warenumschlag erwartete.
So konnten die beiden Packhäuser in Holtenau und Tönning jeweils 30.000 Zentner Getreide
fassen.
Abb.: Die Aufzüge für die Lasten.
Der Bau des Kanalpackhauses in Holtenau wurde 1782 beschlossen und, da es dem dänischen König
gehörte, früher auch das dänisches Lagerhaus
genannt. Pläne, anstelle eines
großen zwei kleinere Packhäuser in Holtenau zu errichten, wurden aufgegeben. Vorbild für die
Kanalpackhäuser waren die kurz zuvor in Kopenhagen errichteten Packhäuser mit ihren gegenüber den
ansonsten üblichen Fachwerkmauern massiven Außenmauern, die die Baukosten erheblich in die Höhe
trieben. Dazu kam noch, daß es keine übliche öffentliche Ausschreibung für den Bau gab, sondern
verläßliche
Handwerker mit dem Bau beauftragt wurden — alleine diese Bedingung
zeigt schon, daß es sich hierbei auch um ein wichtiges Prestigeprojekt handelte.
Das Holtenauer Kanalpackhaus hat eine Grundfläche von 77 mal 13 Metern mit drei Voll- und zwei
Dachgeschossen. Große Luken dienten dabei dem Transport der Waren mit Hilfe von Ladebäumen im
Dachgeschoß. Dabei konnten die Waren sowohl außer- als auch innerhalb des Gebäudes von Stockwerk
zu Stockwerk bewegt werden. Die Lagerfläche betrug ca. 4.000m². Schwere Güter, die nicht im
Packhaus gelagert werden konnten, wurden auf dem so genannten Materialhof
gelagert.
Für die eingelagerten Waren wurde die so genannte Packhausmiete
erhoben, die sich
nach Menge, Wert und Lagerdauer der Waren richtete. Explosive Stoffe aber durften weder im noch
beim Packhaus gelagert werden — eine Vorschrift, über die während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung
hinweg gesehen
wurde.
Auf dem dreieckigen Gelände vor dem Packhaus stand nicht nur einer der Obelisken des Eiderkanals, sondern seit 1815 auch ein kleiner Leuchtturm, der jedoch nur wenige Jahre in Betreib war. Das östlich des Packhauses liegende Gebiet des Leuchtturmhügels wurde erst beim Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals aufgeschüttet.
Das Kanalpackhaus und der Kanaldistrikt
wurden
von mehreren Beamten verwaltet, darunter war auch ein Packhausverwalter
:
Während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung gegen Dänemark diente das Packhaus auch als Kaserne, Lazarett und Munitionsdepot.
Auf Photographien aus den fünfziger Jahren sieht man noch ein in Würde gealtertes von großen
alten Bäumen dicht umstandenes Kanalpackhaus, auf dessen Mauerwerk in riesigen weißen Buchstaben
der Name der Holzhandlung H. Grimm
steht. Die Firma Gebrüder Grimm
wurde bereits 1854 gegründet und hatte auch ihre
Geschäftsräume im Kanalpackhaus, wo auch Holz gelagert wurde. Vor dem Kanalpackhaus befanden sich
bis 1983 ein Holzlager und ein von Hans Grimm erbauter Holzlagerschuppen, dann wurden hier
Parkplätze und Carports für die neuen Bewohner des zum Wohnhaus umgebauten Lagerhauses
geschaffen.
Abb.: Die stark verfallene Fassade des Packhauses Anfang der 1950er Jahre.
Als das Kanalpackhaus im Jahre 1978 unter Denkmalschutz gestellt wurde, gab es seitens des Besitzers Christian Grimm, der das Gebäude als Holzlager benutze, Einspruch gegen diesen Bescheid. Die Holzfirma Grimm hatte mit dem Gedanken gespielt, das Gebäude abreißen zu lassen, weil es den Ausbauplänen der Firma im Wege stand. Es war vorgesehen, das Haus im Jahre 1978 zugunsten einer Terrassenwohnanlage abzubrechen.
Abb.: Sanierung des Kanalpackhauses 1983. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Für die Denkmalschützer hingegen war das Gebäude immer schon schützenswert gewesen und seit
langen in der Kunst-Topographie Schleswig-Holstein
aufgeführt worden. In einem
Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 16. Januar 1984 betonte das Gericht die
besondere kulturhistorische Bedeutung dieses Baudenkmals, denn der damalige Kläger hatte gegen
die Eintragung des Kanalpackhauses in das Denkmalbuch geklagt. Das Gericht sprach von einem
herausragendem historischem Zeugnis der Handels- und Verkehrsbauten des ausgehenden 18.
Jahrhunderts in Schleswig-Holstein
.
Heute dient das Kanalpackhaus in Holtenau als Wohnhaus und beherbergt ein Restaurant. Aus diesem Grunde wurden auch die Dachgauben eingebaut, um auch das Dachgeschoß als Wohnraum nutzen zu können. Ansonsten blieben alle typischen baulichen Merkmale wie beispielsweise die halbrunden Ladeluken erhalten.
Wie bereits beim Bau der Kanalpackhäuser am Eiderkanal vor 200 Jahren so dienten auch bei der
Renovierung und der neuen Nutzung die Kopenhagener Packhäuser als Vorbild. Dort hatte man bereits
ein Jahrzehnt zuvor unter der Leitung des Architekten Flemming Hertz das leerstehende Packhaus am
Nyhavn restauriert und zu einem Hotel mit 140 Betten umgebaut. Weitere Packhäuser wurden entweder
zu Hotels oder kombinierten Büro- und Wohnhäusern umgebaut wie z. B. das Blaue
Packhaus
.
Vor dem Umbau wurde das gesamte Gebäude genauestens vermessen und auf Bauschäden überprüft. Gleichzeitig wurden die Gebäudeteile daraufhin untersucht, ob es sich um die Originalbauteile oder um spätere Veränderungen handelte. Die Untersuchungen zeigten zwar, daß sich das Haus im wesentlichen im Originalzustand befand, daß es jedoch zu starken Setzungen und Gebäudedeformationen gekommen war. Davon war insbesondere der östliche Teil der Nordfassade betroffen.
Die Südfassade wies insbesondere im Bereich des Mittelrisaliten eine starke Neigung auf. Als Grund für die Setzungen wurde vermutet, daß die Pfähle und Schwellen aus Fichten- oder Kiefernholz stärker abgefault waren als entsprechende Teile aus Eichenholz. Später hinzu gekommene Anbauten an der Fassade wurden wieder entfernt, defekte Ziegel und Steine durch neue ersetzt und sämtliche Verfugungen nachgesehen.
Als das Kanalpackhaus Ende 1983 fertig renoviert worden war, waren für 14 Millionen DM Baukosten 39 Ein- bis Dreizimmerwohnungen, sowie Räume für drei Läden und ein Restaurant geschaffen worden. Bei der Restaurierung wurde der allergrößte Wert darauf gelegt, den gegebenen Eindruck des Gebäudes zu erhalten oder noch zusätzlich zu verstärken. Daher wurden bei der Wahl der verwendeten Materialien und der Materialbeschaffenheit auf deren Ursprünglichkeit großer Wert gelegt. Neu hinzugefügte Gebäudeteile wie die Dachgauben orientieren sich an historischen Vorbildern. Innerhalb des Gebäudes wurde versucht, den durch die gewaltige Holzkonstruktion gegebenen Charakter so weit wie möglich zu erhalten.
Abb.: Das Kanalpackhaus im April 2019.
Am westlichen Ende des Ensembles befindet sich an der Ecke zur Kastanienallee ein im Jahr 1928 vom Architekten Ernst Stoffers erbautes expressionistisches dunkles Klinkergebäude. Nachdem die am östlichen Ende gelegenen Wohn- und Stallgebäude (die ehemalige Bauernstelle Schulz, wo auch die Treidelpferde standen) in der Nachkriegszeit abgebrochen worden waren, wurden hier nach den Plänen des Berliner Architekten Walter Rolfes neue Wohngebäude errichtet und weitere ergänzt, die nun zusammen mit dem Klinkergebäude am Westende die historischen Gebäude harmonisch einfassen.
Abb.: Hinter dem Kanalpackhaus, Blick Richtung Leuchtturm (April 2019).
© Bert Morio 2019 — Zuletzt geändert: 23-04-2019 06:09