Zur Waffenschmiede
An der heutigen Gravensteiner Straße in den Nixenweg hinein befand sich gegenüber der Jaegerallee der 1711 gegründete Dorfkrug Zur
Waffenschmiede
. Hier wurden 1909 der TuS Holtenau und
1929 der Lotsengesangsverein Knurrhahn
gegründet.
Schon um 1600 werden in alten Urkunden Häuser am Ort der späteren Waffenschmiede erwähnt, liegt
dieser Ort doch günstig an einer Straße, die damals von Kiel kommend in den Dänischen Wohld hinein bis weiter nach Dänemark
führte.
Abb.: Gaststätte, Waschhaus und Schmiede.
Hier gab es bereits seit frühen Zeiten einen Ausspann für die Pferde. Daß sich hier dann auch
eine Schmiede und eine Gaststätte ansiedelten, lag nahe. Die Gaststätte
(Dorfkrug
) erhielt ihren Namen erst um 1845 aufgrund der Tatsache, daß die
damaligen Besitzer seit Beginn des 19. Jahrhunderts damit begonnen hatten, antike Waffen zu
sammeln.
Abb.: Die Waffensammlung der Waffenschmiede unter der Decke.
Der Name Waffenschmiede entstand 1845, nicht wegen der Herstellung von Waffen, sondern aus einer Sammelleidenschaft heraus: Die Seeleute brachten von ihren Fahrten Waffen und Pistolen mit, die von den Vorgängern seit dem 19. Jahrhundert an Decken und Wänden des Dorfkruges hingen und die Blicke der Gäste auf sich zogen. Später wurde auch die Straße danach benannt.1
Abb.: Die Waffensammlung der Waffenschmiede unter der Decke.
Die Gaststätte wurde Sommer 1944 durch Brandbomben zerstört.
Am 11. August 1944, der Nacht vor dem Großangriff auf Kiel, kam es zu einem verheerenden Brand durch gezielt abgeworfene Brandbomben, die als Markierungen die Schleuse vor Treffern schützen sollten. Die reethgedeckte Kate, welche die gesamte Heuernte auf dem Boden hatte, brannte wie Zunder - zumal das Löschwasser auch noch aus dem 300 Meter entfernten Kanal geholt werden mußte und sich unsere Familie zum Zeitpunkt des Angriffs im Bunker befand. Für das Haus samt wertvoller Waffensammlung kam jegliche Hilfe zu spät. Anders die Schmiede nebenan. An die können sich sicherlich noch viele Holtenauer erinnern. Die stand bis 1959 in der Gravensteinerstraße 54. Am 20. April 1956 wurde dann die heutige "Waffenschmiede" auf neuem Grundstück mit Kanalblick von unseren Eltern eröffnet und am 1. April 1971 von uns übernommen.2
Beim Brand der Waffenschmiede ging nicht nur die historische Waffensammlung verloren, sondern
auch die vom Lotsengesangsverein Knurrhahn
zusammengetragenen seemännischen Sammlungsstücke und Aufzeichnungen des Chors, der hier sein
Stammlokal hatte.
Abb.: Biergarten und Gaststätte.
Die neue
Waffenschmiede am Friedrich-Voß-Ufer
wurde bereits 1960 erweitert und schließlich 1971 zu ihrer jetzigen Größe ausgebaut.
Die Waffen waren verloren, aber auf dem neuen Grundstück am Friedrich-Voß-Ufer hatte die "Waffenschmiede" plötzlich ein neues Pfund, mit dem sie bis heute wuchert: den Kanalblick. "Wir haben bis zu 80 Prozent Stammkunden, viele davon interessieren sich speziell für die Schiffe", sagt Erika Riecken. Manche übernachten sogar dort, um ein bestimmtes Schiff zu sehen.3
Neben dem Dorfkrug gab es noch eine Schmiede. Die eigentliche Schmiede befand sich auf der Ecke Gravensteiner Straße - Nixenweg und wurde noch nach dem Krieg noch für einige Jahre weiter betrieben bis schließlich das ganze Gebiet bebaut wurde. An ihrer Stelle steht hier heute der Block Gravensteiner Straße Nr. 54-56.
Abb.: die Dorfschmiede lag an der Ecke der heutigen Straßen Waffenschmiede - Gravensteiner
Straße. Links hinten sieht man das Waschhaus der Gaststätte. Rechts hinten der Graue Esel
.
Das ganze Gebiet der Waffenschmiede östlich des Hochbrückendammes gehörte bis in die 1950er Jahre noch der Familie Schack-Schackenborg, die Ende des 18. Jahrhunderts als Besitzer des Gutes Seekamp die Holtenauer aus der Leibeigenschaft entlassen hatte. Das Land wurde zuletzt von Bauer Bansee bewirtschaftet.
Abb.: Waffenschmiede, Schmiede und Grauer Esel.
Zur Gaststätte Waffenschmiede gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg noch ca. 6 ha Land; alles wurde von den Grafen Schack-Schackenborg bis in die 1950 Jahre hinein gepachtet, bis diese ihre Ländereien endgültig verkauften und sich damit nach fast zwei Jahrhunderten aus der Holtenauer Geschichte verabschiedeten.
Abb.: Die Schmiede an der Ecke der Straße Waffenschmiede. Links das Haus Waffenschmiede Nr.1.
Vor Kriegsausbruch gab es im Bereich der Waffenschmiede ein Lager der Deutschen Arbeitsfront
(DAF). Während des Zweiten
Weltkrieges gab es in der Nähe ein Lager für Zwangsarbeiter —
weitere Zwangsarbeiterlager befanden sich während des Zweiten Weltkrieges auf dem Flugplatz und
am Schusterkrug.
Nach Kriegsende wurden auf dem Gebiet der Waffenschmiede in den Baracken der ehemaligen Kanalwachabteilung und des Zwangsarbeiterlagers Flüchtlinge einquartiert (Lager Waffenschmiede).
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Inzwischen hat der Inhaber der Waffenschmiede ein Buch mit Erinnerungen an und um die Waffenschmiede herausgegeben:
Rieken, Rainer: Und meistens glücklich. Erinnerungen an und um die WAFFENSCHMIEDE in Kiel-Holtenau aus fast 75 Jahren im Jahre 2022, Canal-Edition, Kiel-Holtenau 2022. ISBN 978-3-00-072250-9
Zur Zeit ist das Buch nur über die Buchhandlung Almut Schmidt in Friedrichsort oder über Herrn Rieken persönlich zu erhalten.
© Bert Morio 2023 — Zuletzt geändert: 23-01-2023
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Kieler Nachrichten: Waffenschmiede fühlt sich der Geschichte verpflichtet, (26.10.2011 ?). ↩
Rainer Rieken, Inhaber des Restaurants und Hotels "Waffenschmiede" in einem Interview mit ProHoltenau. ↩
Kieler Nachrichten; Exklusiver Blick lockt die Gäste in die
Waffenschmiede
, 2006. ↩