Holtenauer Geschichte

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Holtenau im Zweiten Weltkrieg

Seit 1942 war auch Kiel mit seinen Marinestützpunkten, den Schleusenanlagen und Werften Ziel alliierter Luftangriffe. Es gab 633 Luftalarme und es wurden 90 Bombenangriffe auf Kiel geflogen, wobei 2.515 Menschen den Tod fanden und 36.000 Wohnungen zerstört wurden.

Holtenau im April 1945 Abb.: Holtenau im April 1945. (großes Bild)

Kiel war im Dritten Reich als Luftschutzort erster Ordnung gleich nach Kriegsbeginn systematisch auf einen Luftkrieg vorbereitet worden. So waren bis 1944 die folgenden Schutzbauten fertiggestellt:

Diese Bunker sollten sollten insgesamt 34.000 Personen Schutz bieten, nahmen dann aber in der Realität des Krieges weitaus mehr Menschen auf. Den Schutz vor Luftangriffen konnte die Luftwaffe nur bis in das Jahr 1941 weitgehend sichern, danach blieb zum Schutz nur noch bodengestützte Flak. Die Flakbatterien im Raum Kiel wurden vom Flak-Gruppenkommando (FlaGruKo) mit Sitz auf dem Gelände des ehemaligen Forts Herwarth bei Dreilinden (hier befindet sich heutzutage die Pyrotechnische Fabrik!) nordwestlich von Dorf Pries befehligt. Es handelte sich insgesamt um etwa 36 Batterien mit über 140 Geschützen schweren Flakkalibers. Die Flakbatterie Holtenau befand sich am Jägersberg westlich der Prinz-Heinrich-Brücke.

Prinz-Heinrich-Brücke Abb.: Auf der Prinz-Heinrich-Brücke sind auf beiden Seiten Flakstellungen zu erkennen. Im Gebiet der Waffenschmiede und des Nixenweges finden sich mehrere Bombenkrater. Dort kann man auch mehrere (getarnte?) Baracken des Lagers Waffenschmiede erkennen.

Seit 1943 wurde auch Kiel verstärkt Ziel alliierter Bombardements, während es im gesamten Jahr 1942 nur 5 Angriffe auf Kiel gab. Neben der Zerstörung von Werften, Militärstützpunkten, Häfen und Kanalanlagen gingen die Alliierten ab 1943 verstärkt zu Flächenbombardements der Stadtzentren über in dem Versuch, die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.

Ab 1944 machte sich zunehmende Knappheit bemerkbar und die Flak durfte nicht mehr auf Einzelmaschinen schießen, gleichzeitig machte sich die Materialüberlegenheit und -qualität amerikanischen Bomber immer mehr bemerkbar, so daß Kiel in den letzten beiden Kriegsjahren im Grunde schutzlos gegenüber Luftangriffen blieb. 1

Sperrballon Abb.: Blick auf die Richthofenstraße 1945. Man sieht einen Sperrballon fliegen. In der rechten oberen Ecke sieht man den Wendenburgbunker. Ganz oben rechts sieht man die Entmagne­tisierungsanlage vor den Alten Schleusen. Im Bereich der Richthofenstraße und Apenrader Straße sieht man noch einige Bauernhäuser (evtl. die Bauernstelle Roepstorff).

Die Innenstadt wurde am 13. Dezember schwer getroffen, und von nun an verwüsteten die alliierten Bomberverbände ganze Stadtviertel im Verlauf weniger Stunden; in den letzten Kriegsmonaten kulminierte das Zerstörungswerk in pausenlosen Anflügen unter Verwendung schwerster Bomben.2

Friedrich beschreibt in seinem Buch Der Brand sehr detailliert die Entwicklung des strategischen Bombenkrieges weg von der Vernichtung der deutschen Kriegsproduktion hin zur Demoralisierung der Zivilbevölkerung durch gezielte Vernichtung der Wohnviertel, das so genannte moral bombing. Fehlten den Alliierten in den ersten Kriegsjahren noch die Möglichkeit, wirklich gezielte Luftangriffe auf militärisch interessante Ziele zu fliegen, so hatten sich als diese Fähigkeit schließlich vorhanden war, die Ziele von den militärischen hin zu den zivilen Zielen verschoben.

Wendenburg-Bunker Abb.: Der gesprengte Wendenburg-Bunker in der Schwester-Therese-Straße, von der Richthofenstraße aus gesehen.

In Bezug auf den Stadtteil Holtenau ist neben den Schleusenanlagen, der Prinz-Heinrich-Brücke über den Kanal und dem Kanal selbst nicht zuletzt auch der Flugplatz Holtenau ein wichtiges Ziel gewesen. Trotzdem wurde in Holtenau mit 80 zerstörten Wohnungen — wie im gesamten Kieler Nordwesten — prozentual weitaus weniger Wohnraum vernichtet als im Kieler Durchschnitt, was nach dem Kriegsende den vermehrten Zuzug von Heimatvertriebenen und Ausgebombten zur Folge hatte.

In der Schwester-Therese-Straße befand sich seit 1939 ein moderner Luftschutzbunker (Wendenburg-Bunker — nach dem letzten Holte­nauer Gemeindevorsteher Ewald Wendenburg benannt), der bereits kurz nach Kriegsende gesprengt wurde. Auf das übrig gebliebene Kellerfundament wurde später ein modernes mehrgeschossiges Wohnhaus gebaut.

Militärische Einrichtungen

In Holtenau und Umgebung gab es vor und während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche militärische Einrichtungen:

Diese Liste ist unvollständig!

Der Marineschießplatz Holtenau

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Marineschießplatz Holtenau viele Marineangehörige wegen Fahnenflucht, Wehrkraft­zersetzung und anderer wirklicher oder vermeintlicher Handlungen exekutiert, u. a. der durch mehrere in der Nachkriegszeit gegen die damaligen Marinerichter geführten Prozesse bekannt gewordene Uboot-Kommandant Oskar Kusch.

Zwangsarbeiter, Heimatvertriebene und Flüchtlinge

Es waren nicht die Zerstörungen durch Bomben, die das Gesicht Holtenaus im Zweiten Weltkrieg veränderten, sondern die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, für die nach Kriegsende neuer Wohnraum geschaffen werden mußte. So entstanden ganze neue Wohngebiete und viele der Lücken in der Holtenauer Bebauung wurden geschlossen.

In vielen militärischen und zivilen Bereichen wurden auch in Holtenau Kriegsgefangene oder zur Zwangsarbeit verpflichtete Ausländer aus den von Deutschland besetzten Gebieten einge­setzt, z. B. russische so genannte Hiwis bei der Holtenauer Marineflak am Jaegersberg.

Der Kanal im Zweiten Weltkrieg

Man sollte meinen, daß der Kaiser-Wilhelm-Kanal ein wichtiges strategisches Ziel für die Alliierten gewesen sein muß, doch wenn man sich die Zahl der Angriffe auf den Kanal und die erreichten Zerstörungen genauer betrachtet, dann gewinnt man einen anderen Eindruck. Gerade für den Bau der deutschen Unterseeboote, die in Segmentbauweise produziert wurden, hatte der Kanals als Transportweg eine überragende Bedeutung. Dies war den Alliierten anscheinend so nicht bewußt.

U 48 Abb.: U 48 vor den Holtenauer Schleusen, das erfolgreichste U-Boot des Zweiten Weltkrieges. Im Hintergrund die Kanalfähre.

Holtenauer Institutionen während des Krieges

Indem die NS-Organisationen versuchten, das gesamte gesellschaftliche Leben unter ihre Kontrolle und Deutungshoheit zu bringen, wurde der Einfluß der meisten bisherigen Organisationen geschwächt. Dies betraf in Holtenau u.a. die Kirchengemeinde Holtenau und die Holtenauer Vereine. Infolge dessen entstanden in Holtenau mehrere NS-Ortsgruppen etc.:

Zum Kriegsende gab für einen kurzen Augenblick noch ein letzter sinnlosen Versuch Widerstand zu leisten:

Das Kriegsende in Holtenau

Als der Zweite Weltkrieg für Deutschland schon verloren war, gab es seitens er Deutschen noch unterschiedlichste Bestrebungen, den Krieg zu verlängern bzw. den Vormarsch der Alliierten nach Norddeutschland und insbesondere nach Schleswig-Holstein zu verzögern. Dabei spielten sowohl die Stadt Kiel als auch der Kaiser-Wilhelm-Kanal eine besondere Rolle.

Nachdem er nach Hitlers Selbstmord als Oberbefehlshaber eingesetzt worden war, gab Großadmiral Dönitz den Befehl, nur dann noch gegen die Briten und Amerikaner zu kämpfen, wenn diese die Wehrmacht daran hindern, ihrerseits gegen die Rote Armee vorzugehen.

Das Ziel der Wehrmacht sei es nun, das Tor zum Norden so lange wie möglich offen zu halten, um so vielen Menschen wie möglich die Flucht vor der Roten Armee zu ermöglichen. Die Taktik der deutschen Führung war es daher, so viel Zeit wie möglich zu gewinnen, da die Kriegsmarine jeden Tag Zehntausende Menschen in den Westen evakuieren konnte. [weiter ...]

Siehe auch:

© Bert Morio 2017 — Zuletzt geöffnet: 08-10-2017 17:29

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  1. Vgl.: Jensen [1989], S. 8. 

  2. Jensen [1989], S. 9.